HANNOVER. Der Evangelische Verband Kirche – Wirtschaft – Arbeitswelt (KWA) weist die Darstellung der Initiative „Selbstbestimmter Sonntag“ zurück, der Sonntagsschutz sei nicht mehr zeitgemäß und ein wirtschaftlicher Standortnachteil.
Das Gegenteil ist richtig, so der Verband: Der Sonntagsschutz trägt zum sozialen Frieden bei, befördert das Gemeinwohl und stärkt den Zusammenhalt. Dies gelte für Deutschland, aber auch für andere Länder wie Griechenland, wo kürzlich ein sog. Sparpaket der europäischen Gläubigerinstitutionen u. a. beabsichtigt, 32 verkaufsoffene Sonntage zu erwirken. Bereits die Argumentation des maßgeblichen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 2009 deutet den strengen Sonntagsschutz für Deutschland nicht als rückwärtsgewandte Verteidigung überkommener religiöser Traditionen, sondern im Gegenteil als sachgemäße rechtliche Rahmung des gesellschaftlichen Lebens unter den Bedingungen der globalisierten Moderne.
Der Sonntagsschutz ist aus Sicht der Verfassungsrichter eine gesellschaftliche Aufgabe, die sich gerade aus der Leistungskraft der Ökonomie ergibt, damit diese ein menschliches Maß behält. So heißt es in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ausdrücklich: „Der Sonn- und Feiertagsgarantie kann schließlich ein besonderer Bezug zur Menschenwürde beigemessen werden, weil sie dem ökonomischen Nutzendenken eine Grenze zieht und dem Menschen um seiner selbst willen dient“ (Az. 1 BvR 2857/07 BVerfG, 1. Dezember 2009, Absatz 153). Michael Klatt, Vorstandsvorsitzender des Verbandes, zieht daraus den Schluss: „Freie Bürger brauchen einen freien Sonntag. Digitalisierung und Globalisierung stellen die europäischen Gesellschaften vor neue Herausforderungen. Damit der Mensch dabei nicht aus dem Blick gerät, braucht jede(r) Zeit, die nicht ökonomischen Zwängen unterliegt – für Familie, Freundeskreis, Freizeit, Ruhe, Gottesdienst.“ Der freie Sonntag sei kein Relikt der Vergangenheit, sondern vielmehr – auch für die Wirtschaft – die zeitgemäße Antwort auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse der Gegenwart.
Dass durch die Sonntagsöffnungen dem Konkurrenzdruck durch den Online-Handel wirksam begegnet werden könne, sei ein Trugschluss, erklärt der Verband. Rechtlich sei es aufgrund des Sonntagsschutzes grundsätzlich auch für den Onlinehandel nicht möglich, am Sonntag eingehende Bestellungen noch an diesem Tag zu bearbeiten. Auch das haben Gerichte auf Länderebene bereits klargestellt. Der KWA bestreitet nicht, dass der Einzelhandel in Deutschland wie auch europaweit unter schwierigen Wettbewerbsbedingungen agieren muss. Ein Reformbedarf, so Michael Klatt, müsse aber dort begegnet werden, wo er entsteht: an den Werktagen. Ansonsten trage man die Probleme unmittelbar in sonntägliche Ladenöffnungen mit ein. Das könne nach Klatt kaum Absicht einer Initiative „Selbstbestimmter Sonntag“ sein. Der KWA schlussfolgert:
- Der Sonntagsschutz ist ein gesellschaftlicher Standortvorteil und die zeitgemäße Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung.
- Für einen fairen Wettbewerb im Handel muss an den Werktagen gesorgt werden.
- Sonntagsöffnungen sind kein wirksames Mittel, um Konkurrenzdruck durch den Online-Handel zu begegnen.