Sonntagsruhe muss auch für digitale Supermärkte gelten!

MÜNCHEN. Automatisierte Supermärkte, die rund um die Uhr und sogar sonntags öffnen, könnten in Bayern bald Realität werden. Die FDP möchte im Bayerischen Landtag durchsetzen, dass digitale Kleinstsupermärkte an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Diese neue Attacke gegen den Ladenschluss missachtet den verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntagsruhe und stößt auf scharfe Kritik der kirchlich-gewerkschaftlichen Allianz für den freien Sonntag.

In den USA und Großbritannien kennt man bereits „Amazon Go“-Supermärkte, die ganz ohne Kasse auskommen. Die Kundinnen und Kunden packen dort – von zahllosen Kameras des Amazon-Konzerns überwacht und analysiert – die gewünschten Waren ein und gehen wieder. Das Geld dafür wird ihnen später automatisch abgebucht.

In Bayern wird die Automatisierung noch im kleinen Rahmen auf dem Land ausprobiert. Erste Versuche sind zum Beispiel die „Nahkauf-Box“ in Pettstadt (Oberfranken), die zu Rewe gehört, oder der „Kisten-Krämer“ in Brennberg (Oberpfalz), der mit Edeka verbunden ist. Die Kundinnen und Kunden finden hier auf kleinem Raum ein volles Sortiment. Die Waren, die sie einkaufen, scannen sie selbst ein und bezahlen mit ihrer Bankkarte.

Im Supermarkt nachts um halb eins

Die Besonderheit: Die Bayerische Staatregierung hat mit einem Beschluss vom Juli 2021 den Ladenschluss für solche „Digitalen Kleinstsupermärkte“ kurzerhand bayernweit ausgehebelt. Wenn die Verkaufsfläche 100 Quadratmeter nicht überschreitet und kein Verkaufspersonal eingesetzt wird, dürfen diese Läden rund um die Uhr öffnen. Einkaufen zu nachtschlafender Zeit wird möglich. Ausgenommen sind bisher nur die Sonn- und Feiertage.

Letzteres stört die FDP, die schon seit langem den Sonntagsschutz im Handel aufweichen oder gar abschaffen will. Landtagsabgeordnete der Partei stellten im April 2022 den Antrag, aus der 24/6-Öffnung doch gleich eine 24/7-Öffnung zu machen, also auch die Sonn- und Feiertage einzubeziehen. Ihr Argument: Es müsse in diesen Läden ja niemand sonntags arbeiten. Außerdem dürften Tankstellen auch sonntags Lebensmittel verkaufen.

Vergleich mit Tankstellen hinkt

Fakt ist: Auch in Märkten ohne Verkaufspersonal fallen Arbeiten an, etwa das Anliefern von Waren, das Einräumen von Regalen oder der Einsatz von Sicherheitsdiensten. Es geht beim gesetzlichen Sonntagsschutz zudem nicht nur um das Verbot von Sonntagsarbeit, sondern auch um die Sonntagsruhe an sich. „Die Ladenöffnung prägt wegen ihrer öffentlichen Wirkung den Charakter des Tages“, argumentierte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil von 2009, das Sonntagsöffnungen im Handel stark einschränkte. Einkaufstrubel gibt dem Sonntag öffentlich wahrnehmbar einen werktäglichen Charakter. Und auch der FDP-Vergleich mit den Tankstellen hinkt, denn Tankstellen dürfen von Gesetzes wegen nur Reisebedarf verkaufen. Wo sie selbst zu kleinen Supermärkten werden, ist das ein klarer Rechtsverstoß.

Die Begeisterung der FDP fürs Sonntagsshopping ist nicht neu. Doch ihr Antrag darf im Landtag keine Chance haben. Die verfassungsrechtlich verankerte Sonntagsruhe gilt auch für digitale Supermärkte. Die Staatsregierung sollte lieber schon aus Sicherheitserwägungen darüber nachdenken, die Nachtöffnungen solcher menschenleeren Geschäfte wieder einzuschränken. Denn sie könnten ein Anziehungspunkt für Vandalismus und Kriminalität werden.

Gefahr der Arbeitsplatzvernichtung

Die Idee, mit automatisierten Supermärkten an Orten eine Nahversorgung zu schaffen, wo es keine Läden mehr gibt, klingt innovativ. Dafür ist allerdings keine Aushebelung des Ladenschlussrechts nötig. Die willkürliche Teil-Abschaffung des Ladenschlusses kann mittelfristig sehr folgenreich für den gesamten Handel werden. Sie gibt Betrieben ohne Personal einen Wettbewerbsvorteil und kann so reale Arbeitsplätze vernichten, wenn sich das Konzept ausbreitet. Eine mögliche Gefahr liegt auch darin, dass Konzerne gegen die Ungleichbehandlung klagen, um den Ladenschluss gleich für alle zu kippen.

Die amerikanische Vision des „Amazon Go“ – eines permanent geöffneten Handels, in dem Überwachungskameras echte Menschen ersetzen – ist bei genauerer Betrachtung alles andere als verheißungsvoll. Die Bayerische Staatsregierung sollte da frühzeitig eine Grenze ziehen und Haltung zeigen: pro Ladenschluss, pro Sonntagsschutz!

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