Sonntagsschutz gilt auch für „Smart Stores“ – hessisches Gerichtsurteil mit Folgen auch für Bayern?

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Die „teo“-Märkte des Handelskonzerns Tegut müssen in Hessen nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes an Sonn- und Feiertagen schließen. Tegut hatte die neuen, teilautomatisierten Supermärkte mit digitaler Kasse bisher einfach als 24/7-Läden laufen lassen, da sie angeblich ohne Personal auskämen. Nach der Entscheidung des Gerichts vom 22. Dezember 2023 ist nun klar: Auch „Smart Stores“ sind Läden und fallen somit unter die Regeln des Ladenöffnungsgesetzes und des Sonntagsschutzes.

Die bayerische Allianz für den freien Sonntag begrüßt gemeinsam mit der bundesweiten Sonntagsallianz diese Gerichtsentscheidung, mit der die von der Stadt Fulda verfügte Schließung von „ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen“ an Sonn- und Feiertagen letztinstanzlich bestätigt ist.

Sonntagsschutz ist mehr als Arbeitsschutz

Nach dem Beschluss des Gerichts ist daran festzuhalten, dass der rechtliche Schutz des freien Sonntags mehr umfasst als Fragen des Arbeitsrechtes. Vielmehr ist die hessische Gesetzgebung zur Ladenöffnung eingebettet in die mit Verfassungsrang ausgestattete Absicherung des Sonntags als eines in seinem Erlebniswert deutlich von den Werktagen abzuhebenden Tages ganz eigenen Charakters.

Die Sonntagsallianzen in Deutschland erwarten, dass nun auch in anderen Bundesländern aus diesem Urteil die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden, da auch alle übrigen Bundesländer ihre Gesetzgebung an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes auszurichten haben.

Bayerns rechtlicher „Kunstgriff“: Verkaufsläden gelten als Automaten

Mit der aktuellen Entscheidung wurde erstmals rechtlich klargestellt, dass auch automatisierte Läden dem geltenden Recht im Ladenschluss unterliegen. Die bayerischen Behörden beurteilten dies im eigenen Land bislang anders und bedienten sich eines „Kunstgriffes“: In Bayern werden automatisierte Läden mit einer Verkaufsfläche unter 100 Quadratmetern nicht als „Läden“, sondern als „Automaten“ definiert, weshalb in Bayern die Ladenöffnungszeiten von Kleinstsupermärkten nicht unter das Ladenschlussgesetz fallen.

Die digitalen Supermärkte sind auch in Bayern im Kommen und werden den Lebensmittelhandel verändern – voraussichtlich nicht nur im ländlichen Raum. Insgesamt haben in Bayern bereits fünf teo-Märkte in und um Aschaffenburg geöffnet. Darüber hinaus gibt es zum Beispiel die Rewe-Nahkauf-Boxen in Pettstadt (Oberfranken) und Hausheim (Schwaben), die Tante-M-Läden in Parkstein, Röslau, Thiersheim (alle Oberfranken) sowie Weiltingen (Mittelfranken) und die Tante Enso-Läden in Wollbach und Münnerstadt (beide Unterfranken).

Sonntagsallianz fordert Überprüfung auch in Bayern

All diese halbdigitalen Märkte öffnen im Freistaat auch sonntags, obwohl das laut Bayerischer Staatsregierung eigentlich nicht bzw. nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig ist. Problematisch ist dies auch aus arbeitsschutzrechtlicher Perspektive, weil natürlich auch in den Kleinstsupermärkten Personal benötigt wird (etwa für Reinigung, Notfälle, Bestückung, Aussortieren von verdorbenem Obst und Gemüse, Aufräumen der Regale etc.). Die Aufsichtsbehörden sollten prüfen, ob dieses Personal nicht rechtswidrig auch sonntags – zumindest kurzzeitig – eingesetzt wird, um den Laden in Ordnung zu halten. Sie können sich hier nicht allein auf die Angaben der Betreiber*innen verlassen.

Für die Bayerische Sonntagallianz steht fest: Der Sonntagsschutz muss für alle gelten! Mit dem hessischen Urteil muss auch in Bayern 2024 eine erneute Überprüfung der verfassungsrechtlichen Fragen stattfinden.

Sonntagsöffnung löst keine Probleme im ländlichen Raum

Die Sonntagsallianz erhofft sich als Ergebnis dieses Beschlusses auch, dass die Arbeit an einer Verbesserung der Grundversorgung im ländlichen Raum sich nun verstärkt den differenzierten Ursachen zuwendet, die diesem Problem tatsächlich zugrunde liegen. Diese Ursachen finden sich nicht an den Sonn- und Feiertagen, sondern an den Werktagen. Eine Schwächung des Sonntagsschutzes löst keine Nahversorgungsprobleme.

Und wie geht es in Hessen weiter?

Die Sonntagsallianz Deutschland sieht durch die in der Entscheidung des Gerichts genannte Begründung des Sonntagsschutzes den Weg versperrt, durch eine Änderung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes zukünftig automatisierten Kleinstsupermärkten doch noch eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen zu ermöglichen. Versuche in dieser Richtung ignorierten aus Sicht der Bundesallianz das zentrale Argument des Verwaltungsgerichtshofs und würden unweigerlich eine juristische Überprüfung nach sich ziehen.

 

Pressebild: Tegut